Die zwei Russen und der Alkohol

von Werner

An einem kalten Februarmorgen 1946 musste ich mit zwei Russen für den Stützpunkt Zurndorf bei Meixner Adam nach Neudorf um Proviant fahren. Beim Gasthaus neben dem späteren Bründlbad, wo es mehrere Fenster gibt, wurden bei jedem Fenster andere Lebensmittel ausgegeben. Fleisch, Mehl, Sauerkraut und anderes. 

Danach fuhren wir zum Herrschaftskeller, wo wir unseren Einspannerwagen mit losen Kartoffel anfüllten. Zuletzt brachten sie einen Sack gefüllt mit Kartoffeln. Als wir das alles geladen hatten, dachte ich, dass wir zu Mittag leicht zu Hause sein werden, doch es kam anders.

Den Sack mit den Kartoffeln haben die beiden in ein Haus hineingetragen und kamen mit mehreren Flaschen Schnaps heraus. Am Ortsende gingen sie mit dem Schnaps in ein Haus hinein, während ich heraußen warten musste. Mein Pferd zitterte vor Kälte, obwohl ich es zugedeckt hatte. Die Pferde hatten damals die Hautkrankheit Räude, da gingen ihnen die Haare aus und sie hatten lauter Bläschen auf der Haut, was trotz tierärztlicher Behandlung nicht zu besiegen war. Der Tierarzt sagte, was wir erst im Spätsommer 1946 nach der Ernte bestätigt bekamen, dass der Hauptgrund Unterernährung der Pferde war.

Es vergingen Stunden, Uhr hatte zu dieser Zeit kein Zivilist, denn die Russen waren darauf wie die Geier, während die zwei Russen sich drinnen mit jungen Mädchen vergnügten. Ich habe mehrmals versucht sie zur Heimfahrt zu ermahnen, wenn ich die Tür aufmachte kugelten die am Fußboden herum und hielten mir jedes Mal die Waffe entgegen. Es muss schon gegen vier Uhr Nachmittag gewesen sein, kam ein russischer Leutnant des Weges, den habe ich angesprochen und habe ihm erklärt, dass wir aus Zurndorf kommen und meine beiden Soldaten Kartoffel für Schnaps vertauscht haben und jetzt im Vollrausch nicht gewillt seien nach Hause zu fahren. Der Offizier ging mit mir zur Eingangstür und schob mich voran, wobei der eine sofort die MP auf mich richtete. Ich war gefasst und schlüpfte zurück hinter den Offizier. Dieser machte einen Mordswirbel und befahl den beiden sofort auf den Wagen aufzusteigen, doch einer konnte nicht mehr auf den Füßen stehen, den mussten wir schleppen. Der eine welcher noch aufrecht stehen konnte sagte wenn wir nicht in zehn Minuten zu Hause sind, erschießt er mich. Ich sagte zu dem Offizier, was soll ich machen, mit den Besoffenen, darauf antwortete er fahre nur schnell. Kaum war ich ein Stück gefahren, merkte ich dass beim Wagen der hintere Schuber sich hochgeschüttelt hat und wir eine Menge Kartoffel verloren hatten. Als ich den noch halbwegs sitzenden Russen darauf aufmerksam machte, drohte er mir wenn nur eine Kartoffel liegen bleibt, erschießt er mich. Als ich die Pferdedecke nahm und das Pferd zudeckte, sprang er vom Wagen und zog die Decke vom Pferd, denn die russischen Pferde werden auch nicht zugedeckt. Ich erklärte ihm, dass das Pferd krank sei und doch keine Haare hat, während die russischen Pferde doch einen dicken Pelz haben. Er hat sich so in seine Wut hineingesteigert, dass er in seinem Rausch vergaß warum wir überhaupt stehen. Ich habe die Pferdedecke zusammengeknüllt und am hinteren Wagenende neben dem Schuber eingelegt und bin weitergefahren ohne die Kartoffel zusammenzuklauben. Der Russe schimpfte dauernd ich erwürge dich, ich erschieße dich.

Als wir schon nahe nach Gattendorf kamen, da war eine aufgelassene Panzersperre, kamen zwei Frauen quer des Feldes. Damals wurde oft in Nachbargemeinden verschiedene Waren getauscht, denn für Geld bekam man ja kaum etwas. Und es war ja fast kein Geld in Umlauf. Ich musste anhalten, während die beiden Frauen genötigt wurden auf unseren Wagen aufzusteigen. Sie wurden mit der Waffe dazu gezwungen. Der eine welcher noch beweglich war, fing gleich an die Frauen zu begrapschen. Den Frauen merkte man an welche Angst sie hatten. Ich ermutigte sie, indem ich sagte ihr seht doch, dass die beiden total besoffen sind. Als wir bei der Kittseer Kreuzung ankamen, dass war zu dieser Zeit das Ortsende, sprangen die beiden Frauen ab und liefen davon, obwohl der noch aufrecht sitzende Russe sie nach Hause bringen wollte.

Kaum einige hundert Meter weiter waren beim Dorfbrunnen mehrere Leute mit ihren Eimern um Wasser zu holen. Darunter ein Schulkollege von mir der Friedrich Hans der spätere Gendarm. Der winkte mir von weitem zu was der Russe als Drohung verstand und lief wutentbrannt auf die Schar zu. Nachdem die Leute sich in ein Haus flüchteten fing der Besoffene an die Kübel, meistens emaillierte, zu zertreten. Nachdem er sich abreagiert hatte konnte ich weiterfahren. Bevor wir in Zurndorf einfuhren, sagte er zu seinen Kumpanen setze dich jetzt auf, dass der Kommandant nicht sieht, dass wir getrunken haben. Eine seiner Wickelgamaschen hatte sich abgewickelt und die Speichen des Hinterrades haben ihn schon ganz kurz gerupft. Plötzlich riss der eine mir die Peitsche aus der Hand und drosch auf das Pferd ein, dass das Pferd durch das Dorf galoppierte, während der Wagen sich im Zick-Zack-Lauf bewegte. Vor dem Gemeindeamt ist der ärgere Besoffene vom Wagen gestürzt. Als der andere bemerkte was passiert war, griff er mir in die Zügel und half mir das Pferd anzuhalten. Wir kamen fast bis zu uns herunter bis wir es zum Stehen brachten. Zu dieser Zeit waren noch Straßengraben mit eingelegten Brückenrohren neben der Straße, ein solches haben wir angefahren, welches den Wagen arg beschädigte. Mit Mühe konnte ich umkehren und den Wagen bis zum Meixner in den Hof bringen.

Inzwischen haben die Gemeindeherren, die gerade im Gemeinderat Sitzung hatten den Abgestürzten hergetragen und im Hof auf dem gefrorenen Steinpflaster hingelegt. Während die Männer von den Russen hinausgedrängt wurden sagte der Polizeichef „Ich Kommunist“ und glaubte ein Recht zu haben zurück zu bleiben. Dabei bekam er zwischen dem Tor einen Tritt in den Hintern, dass er ein ganzes Stück lief. Der Kommandant kam aus der Wohnung und sah den am Boden liegenden während der andere Besoffene gleich zum Offizier hintorkelte und sagte, dass ich seinen Kollegen vom Wagen gestoßen habe. Ich sagte dem Offizier ich hätte die Beiden nicht verraten, aber weil dieser mich solches beschuldigt, sage ich es, dass die Beiden Kartoffel für Schnaps vertauscht haben und sich damit so sehr besoffen haben. Der Offizier hat dem gleich die Schulterklappen heruntergerissen und dem Einen, der im Unteroffiziersrang war degradiert.

Ich musste die Kartoffel mit einem Kübel in einen Raum hineintragen, da kam plötzlich der Besoffene auf mich zu und schrie: „Ich erwürge dich!“, die Waffe war ihm ja abgenommen. Ich wich zurück und griff nach einer Hacke, die zufällig am Boden lag. Plötzlich spürte ich wie hinter mir ein Anderer mir die Axt aus der Hand nahm und sagte nicht tu es. Dieser wehrte den Besoffenen ab und half mir den Wagen leer zu machen.

Unser Vater wartete schon vor dem Hause, bis ich herauskam denn der war schon von den Leuten informiert, die das Pferd mit dem Wagen durch das Dorf galoppieren sahen. Der Abgestürzte lag trotz Minusgraden noch immer auf dem Steinpflaster, als ich das Haus verließ.

Quelle: Michael Pschaiden